Gewalt in der Sprache
Interessiert es Sie, wie Sie sich ausdrücken können, ohne bei Ihrem Gegenüber Abwehr zu erzeugen und wie Sie in Konflikten beide Positionen einbeziehen und einen Konsens erzielen können?
Wenn wir von “Gewalt in unserer Sprache” hören, denken wir vielleicht an Menschen, die sich rüpelhaft ausdrücken, wie randalierende Sportfans oder wütende Demonstrant:innen. Vielleicht assoziieren wir damit auch Krisengebiete und Konflikte in unserer Welt. Nur ganz selten kommen wir auf die Idee, unsere eigene Ausdrucksweise zu überprüfen.
Dr. Marshall Rosenberg war von Kindesbeinen an mit Gewalt konfrontiert. Das führte dazu, dass er sich intensiv damit auseinandergesetzt hat, wie Gewaltbereitschaft im Menschen entsteht. In seinen Studien stellte er fest, dass Sprache einen wesentlichen Beitrag dazu leistet.
Als promovierter klinischer Psychologe erforschte er später die Rolle der Sprache und des Gebrauchs von Wörtern in Konflikten, wobei ihn vor allem sein Lehrer Carl Rogers – Wegbereiter der klientenzentrierten Gesprächstherapie – sowie die Schriften von Mahatma Gandhi beeinflussten.
Dass Empathie in Konfliktsituationen eine Schlüsselrolle spielt, hat Rosenberg in der Friedensarbeit und den von ihm initiierten Anti-Rassismusprojekten wiederholt festgestellt. Die Fähigkeit, eine einfühlsame Verbindung zu sich selbst und zu anderen aufzunehmen, steckt seiner Meinung nach in jedem Menschen. Unsere Sprache und Streitkultur mit ihren typischen Ausprägungen von Angriff, Drohung, Verteidigung und Rückzug habe aber zu einer Entfremdung des natürlichen Einfühlungsvermögens geführt. Rosenberg hält dieses Verhalten für erlernt. Entsprechend glaubt er, dass es mittels einer anderen Art der Kommunikation möglich ist, wieder zu den Wurzeln zurückzukehren.
Rosenberg ist überzeugt, dass die Art und Weise des Sprechens eine entscheidende Rolle bei unserer Fähigkeit spielt, einfühlsam zu bleiben. Der bewusste Umgang mit Sprache ist demnach der Schlüssel dazu, wieder mit unserem natürlichen Einfühlungsvermögen in Kontakt zu kommen und die zwischenmenschliche Kommunikation friedfertiger zu gestalten: weg von Wertungen, Kritik und Schuldzuweisungen – hin zu Wertschätzung und Mitgefühl.
Eine weitere Grundannahme Rosenbergs: Konflikte entstehen immer dann, wenn wichtige menschliche Bedürfnisse unerfüllt sind. Zu diesen Bedürfnissen zählen neben Nahrung, Unterkunft und Sicherheit auch Mitgefühl und Wertschätzung – ebenso wie Zugehörigkeit, Harmonie und Autonomie. Werden die Bedürfnisse der Konfliktparteien in angemessener Weise angesprochen und berücksichtigt, so sind Konflikte auch lösbar.
Von diesem Gedanken geleitet, entwickelte Rosenberg schließlich das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation. Er hat ein Sprachmodell entwickelt, so zu kommunizieren, dass man wirklich sagt, was man denkt, ohne den anderen anzugreifen. Seine Methode ist sehr einfach. Sie besteht aus einer Abfolge von vier Schritten: Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis, Bitte.
So simpel die Gewaltfreie Kommunikation mit ihrem Vier-Schritte-Modell zunächst auch erscheint, ihr Einsatz in der Praxis ist es ganz und gar nicht. Die Kommunikation wird zunächst einmal enorm verlangsamt, denn die eigenen Worte wollen wohl überlegt sein. In einer bereits emotional aufgeladenen Gesprächssituation ist die Gefahr umso größer, in den Automatismus alter Muster wie Wertungen und Beschuldigungen zu verfallen. Umgekehrt kann ein allzu dogmatisches Festhalten am Vier-Schritte-Modell auch kontraproduktiv sein, weil es gekünstelt wirkt und beim Gesprächspartner erst recht Abwehrreaktionen hervorruft.
Rosenberg versteht sein Modell dann auch weniger als stur anzuwendende Gesprächstechnik, sondern vielmehr als Hilfestellung, seinem:r Gesprächspartner:in mit einem höheren Grad an Selbsterkenntnis und Empathie zu begegnen und dabei ‘intensiv nach innen und außen zu hören’.
Es ist ungewohnt und fast ein wenig so, als würde man eine Fremdsprache lernen. Dass es sich lohnt, kann man täglich erleben. Ob Kinder, Eltern, Lehrer:in, Partner:in, Freund:innen oder in der Arbeitswelt, das Wissen, wie man gewaltfrei kommunizieren kann, hilft einem in allen Lebensbereichen.
Die GFK zeigt auf:
- Wie Sie Gedankenmuster erkennen und auflösen, die zu Ärger, Depression oder zu Gewalt führen.
- Wie Sie potenzielle Konflikte in friedliche Gespräche umwandeln.
- Wie Sie offen Ihre Meinung sagen, ohne Abwehr oder Feindseligkeit zu erwecken.
- Wie Sie klare Bitten aussprechen, anstatt Forderungen zu stellen.
- Wie Sie mehr Tiefe und Achtsamkeit in Beziehungen entwickeln und über Empathie motivieren statt über Angst, Schuldgefühle oder Scham Druck auszuüben.
Was ist gewaltfreie Kommunikation?
Die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) ist eine Art des Umgangs miteinander. Sie beinhaltet sowohl eine innere Haltung als auch einen Kommunikationsprozess. Beides in Kombination, Haltung UND Kommunikationsprozess, ermöglichen und bereichern den Kontakt mit anderen Menschen und mit sich selbst auf eine tiefgreifende, emphatische, achtsame und verständnisvolle Art und Weise. Der Fokus liegt auf den Bedürfnissen, die alle Menschen gemeinsam haben. GFK regt uns zu einem Sprachgebrauch an, der Wohlwollen verstärkt. Ablehnung und Abwertung wird dadurch vermieden.
Insbesondere bei Konflikten, schwierigen Beziehungen und herausfordernden Situationen, gelingt es mittels der GFK zunehmend einfacher und effektiver, einvernehmliche Lösungen zu finden, die die Bedürfnisse aller beteiligten Personen im Blick haben.
Die Wirkung der Auseinandersetzung mit Gewaltfreier Kommunikation geht jedoch weit über den friedlichen Kontakt und die Lösung von Konflikten mit anderen Menschen hinaus! In den zahlreichen Seminaren und Angeboten rund um die GFK erlangen die Teilnehmer:innen einen deutlich vertieften, lebendigen und emphatischen Kontakt mit sich selbst. Die Folge auf der persönlichen Ebene sind mehr innerer Frieden, Handlungsfreiheit, harmonische Beziehungen, Klarheit und Lebensfreude.
„Die Antwort auf die Frage nach der Ursache von Gewalt liegt in der Art und Weise, wie wir gelernt haben zu denken, zu kommunizieren und mit Macht umzugehen.“
Marshall Rosenberg
Praxisfall von Marshall Rosenberg
Ich habe mal mit einem Ehepaar gearbeitet, die Schwierigkeiten hatten, ihre Bedürfnisse klar auszudrücken. Sie sagte: “Mein Bedürfnis nach Liebe wird nicht erfüllt!” Und er antwortete: “Ich liebe dich!” Sie wollte etwas erwidern, aber ich sagte “Halt! Hör nicht auf, nachdem du dein Bedürfnis genannt hast, sondern füge hinzu, was du von ihm möchtest, damit dieses Bedürfnis erfüllt wird!” Sie sagte: “Du weißt es doch!” Er antwortete: “Offensichtlich weiß ich es nicht!” Sie sagte: “Aber es ist so schwer es in Worte zu fassen!,” und er meinte: “Wenn du es schon nicht in Worte fassen kannst, kannst du dann sehen, wie schwer es für mich ist, es zu tun?” Da wurde ihr klar, dass Sie möchte, dass er errät, was sie braucht, bevor sie es selber weiß.
Hier findet Ihr einen Link zu Marshall Rosenbergs Buch Gewaltfreie Kommunikation aus dem Junfermann Verlag
Es gibt zahllose Videos von Marshall Rosenberg auf Youtube. Hier könnt Ihr einen kompletten 3-stündigen Workshop mit Marshall mit deutschen Untertiteln anschauen: